Diese literaturgeschichtliche Arbeit fuhrt erstmals auf breiter Quellenbasis den empirischen Nachweis, dass Leser/-innen beim auerwissenschaftlichen Umgang mit Literatur in Geschichte und Gegenwart Applikationen vornehmen. Es wird gezeigt, welche Formen eine solche Applikation annehmen kann, und dass es sich um eine relevante Praktik handelt. Unter Applikation' ist eine Tatigkeit im Rahmen des Rezeptionsprozesses zu verstehen, bei welcher Leser/-innen das Gelesene auf ihre personlichen oder lebensweltlichen Erfahrungen, Uberzeugungen und Einstellungen beziehen. Das Ergebnis dieser Bezugnahme, welches ebenfalls Applikation' heit, kann sein, dass sie neue Uberzeugungen und Einstellungen bilden, bestehende verandern oder verwerfen. Um Existenz, Beschaffenheit und Relevanz des Phanomens zu belegen, wurde eine Fulle an Rezeptionsdokumenten ausgewertet. Sie geben Auskunft uber die Erstrezeption von neun Romanen aus vier Jahrhunderten, die das literarische Korpus der Arbeit bilden, darunter Goethes Werther, Manns Buddenbrooks und Schlinks Der Vorleser. Die Arbeit beleuchtet eine wichtige, in der bisherigen rezeptionsgeschichtlichen Forschung nicht hinreichend beachtete Praktik des auerwissenschaftlichen Umgangs mit Literatur.