Die Debatte um die Norm des Hochdeutschen im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts wurde nicht nur mit linguistischen Argumenten gefuhrt, sondern auch mit kulturkritischen und moralischen. Gegen die Dominanz der Sachsischen Sprachkundler formierte sich mit Friedrich Karl Fulda, Johann Gottlieb Hartmann und Johannes Nast in Schwaben eine Opposition, die durch eine alternative Sprachnorm eine sittliche Erneuerung Deutschlands erreichen wollte. Die Studie fragt, wie es zu so unterschiedlichen Auspragungen im Sprachdenken einer Zeit kommen kann. Durch die Verschrankung verschiedener sozial-konstruktivistischer Theorien (Wissenssoziologie, Kulturelles Gedachtnis und linguistische Diskursanalyse) wird ein Modell der Genese von Sprachbewutsein entwickelt, das es erlaubt, Denkweisen uber Sprache aus mentalitaren Dispositionen zu erklaren. Die tiefensemantische Analyse von sprachreflexiven, aber auch feuilletonistischen, literarischen und kulturhistorischen Texten und Druckgraphiken des 18. Jahrhunderts zeigt, wie allgemeine Denk- und Bewertungsschemata die Debatte uber die Frage Was ist Hochdeutsch? praformierten und organisierten. Das Denken uber Sprache entfaltete sich demnach in den argumentativen und semantischen Rahmen des kulturkritischen Diskurses. Die Sprachnormendebatte wird so als Streit uber die sittliche Verfassung und die nationale Identitat Deutschlands lesbar gemacht.