Das 17. Jahrhundert war fur die spanische Literatur auch das Goldene Zeitalter der Ubersetzungen. Durch fremdsprachliche Ubertragungen beeinflute insbesondere der Schelmenroman nachhaltig die Romanentwicklung in Europa. Aus dem Umfeld dieser literarischen Modegattung der Zeit stammt Francisco Lopez de Ubedas Libro de entretenimiento de la Picara Justina (1605), der als Begrunder des "weiblichen" Schelmenromans gilt. Der umfangreiche Roman zahlt zu den enigmatischsten Werken der spanischen Literaturgeschichte und wurde bisher weitgehend von literaturwissenschaftlicher Seite vernachlassigt. In Abgrenzung von den bekannten Etikettierungen der Picara Justina als hofischer Schlusselroman oder als migluckte novela picaresca wird eine Neuinterpretation vorgenommen: Unter Verwendung des Instrumentariums der Intertextualitat erscheint Lopez de Ubedas Roman als Vertreter der literarischen Karnevaleske (Bachtin), der sich diskursparodistisch mit prominenten Textsorten, Erkenntnismodellen und dem barocken conceptismo auseinandersetzt. Von den zeitgenossischen Ubertragungen werden die italienische Version und die englische Adaption unter eingehender Berucksichtigung des literarischen Ubersetzungshintergrunds als fruhe Rezeptionsdokumente analysiert. In kulturhistorischer Perspektive konnen die Translatoren Barezzo Barezzi und John Stevens als wirkungsgeschichtlich herausragende Vermittler der spanischen Literatur im Ausland gewurdigt und literatursoziologische Uberlegungen zum Zielpublikum ihrer Publikationen angestellt werden.