Recht und Gerechtigkeit haben ein Element der Strenge. Das macht sie dilemmatisch. Die Milde, die gut und richtig erscheint, wenn man allein den einzelnen Fall in den Blick nimmt, kann als unvertraglich mit der Funktion des Rechts erscheinen, wenn man uber den Einzelfall hinausgehende Konsequenzen berucksichtigt. Das daraus resultierende Dilemma ist ein ewiger Gegenstand des Nachdenkens uber Recht und Gerechtigkeit. Uber die Jahrhunderte ist es in den unterschiedlichsten Formen thematisiert worden. Dichter haben es in Dramen verarbeitet, Philosophen und Juristen haben es unter anderem als Problem des Verhaltnisses von Recht und Billigkeit behandelt, und Theologen als Problem des Verhaltnisses von Gerechtigkeit und Nachstenliebe. Ist dem Dilemma des Rechts zu entkommen? Lasst es sich entscharfen? Wie hangt es mit der Regelhaftigkeit des Rechts zusammen? Warum ist unser heutiges Recht viel weniger hart, als das Recht fruherer Epochen? Blutrache, grausame Korperstrafen, Folter, Sippenhaft, Schuldknechtschaft, all das sieht unser Recht nicht mehr vor. Was hat den Fortschritt zu groerer Milde ermoglicht? War es nur ein Fortschritt der Ideen? Oder sind wir heute einfach kluger als unsere Vorfahren? Ist tatsachlich jeder Schritt zu groerer Milde ein Fortschritt? Kann es Ruckschritte geben? Um diese Fragen geht es im vorliegenden Band der Jacob Burckhardt-Gesprache auf Castelen.