Die Weltkriege haben das alte Europa zu einer ungastlichen Sphare gemacht, in der jeder jederzeit zum Fluchtling werden konnte. So ist es im Prinzip bis heute, auch wenn die aueren Umstande diesen Eindruck nicht erwecken mogen. Muss man daran erinnern, dass die atomare Bedrohung nach wie vor virulent ist? Wer so bedroht ist, kann sich allenfalls in einer fadenscheinigen Sicherheit wahnen, musste aber wissen, dass jeder nur dank anderer davor bewahrt werden kann, in die Flucht geschlagen zu werden, und nur dank anderer gegebenenfalls anderswo Aufnahme finden wird. Jeder lebt sozial und politisch nur dank anderer, die ihm/ihr bis auf weiteres eine Bleibe eingeraumt haben, sei es unter Brucken, sei es in Notunterkunften, sei es zur Miete oder in legalisiertem Eigentum. Und jede(r) kann als von anderen so oder so Aufgenommene(r) grundsatzlich jederzeit vertrieben werden. An dieser Erfahrung kommt Europa in seiner Geschichtlichkeit nicht vorbei. Entweder es verhalt sich offen dazu oder es verschanzt sich identitar in historischer Ignoranz nicht nur jetzt begegnenden Fluchtlingen, sondern auch sich selbst gegenuber. Fur ein Europa, das den Anspruch erhebt, sich nicht-ignorant zu seiner eigenen Gewaltgeschichte zu verhalten, kann die Frage nur lauten, wie (nicht ob) die fragliche Offenheit Gestalt annehmen soll. Keineswegs ist diese Offenheit aber nur eine auswartige Angelegenheit Fremden gegenuber. Sie musste vielmehr jedem zugute kommen konnen, der den Anspruch erhebt, gehort zu werden. Daran erinnern gegenwartig Marginalisierte, zahllose prekar Lebende und sogenannte "Uberflussige", deren oft selbstgerechte und anti-politische Emporung allerdings eine eminente Herausforderung fur das Politische darstellt.