Sog, Schwindel und Staunen bezeugen Betrachter stereoskopischer Bilder. Sie erfahren das zweidimensionale Bild als plastisches, changieren zwischen mentalen und physischen Raumen. Die Funktionsweise der Stereoskopie ist denkbar einfach und doch effektvoll: Beim Anschauen in einem Stereoskop verschmelzen zweidimensionale Doppelaufnahmen desselben Motivs zu einem dreidimensional wirkenden Einzelbild. Entwickelt aus naturwissenschaftlichen Erkenntnissen uber binokulares Raumsehen wird die Stereoskopie ab der Mitte des 19. Jahrhunderts bis ins fruhe 20. Jahrhundert weltweit zu einem popularen Medium der Unterhaltung, Unterweisung und Dokumentation: Der plastische Effekt und die damit verbundene, von Zeitzeugen attestierte 'Realitatstreue' machen Stereobilder und -serien geeignet fur virtuelle Reisen, Bildende Kunst, naturwissenschaftliche Forschung, Sach- und Landerkunde, einen imaginaren Theaterbesuch oder die (sehr private) Ansicht pornografischer Bilder. Durch Blicke im Bild beleuchtet anhand zahlreicher Abbildungen aus der fokussierten Zeit spanne (1840-1930) die technischen, konomischen, populr- und visuellkulturellen Facetten und Anwendungsbereiche der Stereofotografie als ein Medium, das zeitgleich mit der Fotografie floriert und vor der Erfindung des Films durch Dreidimensionalitt und Serialitt Bewegung im Bild suggeriert - bislang aber von der Medien- und Kulturgeschichtsschreibung ausgeklammert wurde. Die Studie ist damit eine wesentliche historiographische Ergnzung zur Forschung ber zeitgenssische 3D-Filme.