Kapitalistisches Monster, Zombie der Wiedervereinigung, erinnerungskulturelle Bad Bank: Negative Zuschreibungen pragen in Medien und Literatur das Bild der Treuhandanstalt, die 1990 zur Privatisierung der "volkseigenen" DDR-Unternehmen gegrundet wurde. Der Treuhand wird angelastet, dass damals zweieinhalb Millionen Menschen ihre Arbeitsplatze verloren, dass Biografien bruchig und Lebensentwurfe zerstort wurden. Auch 30 Jahre nach dem Mauerfall ist die Treuhand noch immer das Feindbild fur viele Ostdeutsche, Sundenbock fur okonomische Fehlentwicklungen und neuerdings auch Erklarungsmuster fur das Auftreten von Rechtspopulisten und Rechtsextremisten. Aber die gefuhlten Wahrheiten und Legenden uberwuchern oft die historischen Tatsachen. Bis jetzt: Der lang jahrige Spiegel-Redakteur Norbert F. Potzl durchdringt rational das Dickicht komplexer Vorgange. Als einer der Ersten hat er Einsicht genommen in die internen Treuhand-Akten, die jetzt nach und nach ins Bundesarchiv ubernommen werden, hat Gesprache mit Betroffenen, Akteuren, Politikern und Wissenschaftlern gefuhrt. Sensibel fur personliche Schicksale ruckt er aber auch, sachlich argumentierend, Vorurteile und falsche Behauptungen zurecht. Potzls Buch ist das erste, das dem Anspruch gerecht wird, dieses vielschichtige Thema anhand der Faktenlage umfassend aufzuarbeiten.