Ein "geschlossenes antisemitisches Weltbild" - so bezeichnet die Forschung die Gesinnung des Attentaters von Halle. Demnach seien Juden - kurzgesagt - die Drahtzieher hinter allem Bosen. Warum bleibt dieses Weltbild so stabil? Im modernen Jahr 2020? Stefanie Schuler-Springorum geht in ihrem Essay in Kursbuch 203 der Frage nach, wieso der Antijudaismus so hartnackig uberlebt, warum er seit Jahrhunderten einfach nicht totzukriegen ist. Die Antwort liege in der Doppelstruktur des antijudischen Ressentiments begrundet: Antisemitismus zeigt sich flexibel, er kann Juden als ruckstandig und als Agenten des Fortschritts bezeichnen, als Kapitalisten und als Kommunisten, als hypersexuell und als verweiblicht. Und genau deshalb, so die Historikerin, sei es jetzt ebenso wichtig wie seit eh und je, diesen kruden Bezichtigungen klar entgegenzutreten.