Das Selbst ist ein moderner Begriff. In den Wissenschaften hat er sich parallel zur Individualisierung der Gesellschaft durchgesetzt und die traditionelle Seele verdrangt. Er basiert auf der menschlichen Fahigkeit, sich ein Bild von sich selber zu machen und sich selbst zu behaupten. Wo er hauptsachlich als kognitiver oder reflexiver Selbstbezug verstanden wird, findet seine Anwendung in der psychiatrisch - psychotherapeutischen Behandlung rasch ihre Grenzen. Viele psychisch kranke Menschen sind affektiv herabgestimmt oder spuren sich weniger. Sie erleben sich mithin prareflexiv - in leib-seelischer Hinsicht - verandert. Davon sind auch Identitats- und Vertrauensbildung betroffen. Eine Krise des Selbst ist keine nur reflexive Problematik. Das prareflexive Selbstbewusstsein einzubeziehen erfordert ein erweitertes Selbstverstandnis. Dazu werden sowohl in grundsatzlicher wie praktischer Hinsicht Vorschlage gemacht.