Inmitten der Wirren der Weimarer Republik und der tiefen Krise aller vormals sinnstiftenden Narrative unternimmt Jaspers den Versuch, mit den Mitteln des Denkens zu demjenigen vorzudringen, in dem sich alles, was uns von absoluter Relevanz ist, kreuzt: zur Existenz. Mit seinem existenzphilosophischen Hauptwerk verfolgt Jaspers das Ziel, in der Philosophischen Weltorientierung zum Bewusstwerden der Grenzen des Wissbaren zu fuhren, in der Existenzerhellung die Aktivitat der Selbstverwirklichung als Unbedingtheit inneren Handelns zu erwecken und in der Metaphysik das Sein im Gewahrwerden immanenter Transzendenz zu beschworen. Dabei integriert er die Sinnsuche des Individuums als philosophische Praxis in sein Programm, indem er den Leser indirekt zur Ubersetzung des philosophischen Gedankens in die eigene Wirklichkeit anhalt. In dem Appell, ruckhaltlos zu kommunizieren, und der These, dass sich die Existenz nur unter der Bedingung eines wechselseitigen liebenden Kampfes um das Selbstsein und die Freiheit des jeweils anderen zur Wirklichkeit bringen kann, zeigt sich die Verschrankung von Jaspers' philosophischem Ethos, nach dem ein Gedanke philosophisch wahr ist in dem Masse, als der Denkvollzug Kommunikation fordert, und einem sozialen Ethos, das die Grundlage eines sinngebenden Halts im Menschsein selbst bildet.