Innerhalb der Richtungen des europaischen Protestantismus nimmt das Reformiertentum eine besondere Rolle ein, von den Anfangen Calvins in Genf, in deutschen Territorien des Alten Reiches, in Frankreich und den Niederlanden, bei den Puritanern in England, bis hin zu kleinen reformierten Minderheiten in Siebenburgen. Die theologischen und kirchenorganisatorischen Spezifika der europaischen Reformierten haben seit uber einhundert Jahren zu einer intensiven Diskussion uber ihren Beitrag zur modernen Welt gefuhrt, die heute jedoch sinnvoll nur in konsequentem Vergleich von Raumen und Kontexten fortgesetzt werden kann. Mit dem aus einer internationalen Tagung an der Johannes a Lasco-Bibliothek in Emden hervorgegangenen Sammelband wird die Bedeutung der Reformierten im fruhneuzeitlichen Bildungssektor deutlich. Beteiligt sind Forscher aus Deutschland, den USA, den Niederlanden und Grossbritannien. In konfessionsvergleichender Perspektive stehen zwei Fragen im Mittelpunkt: Welchen Beitrag leisteten die Reformierten zum Aufbau des fruhneuzeitlichen Universitats- und Schulwesens, der Verbindung von Schule und Katechese im Alten Reich, in den Niederlanden und den fruhen Kolonien? Konfessionalistische Schulpolitik unter reformierter Staatlichkeit und identitatssichernde religiose Unterweisung in reformierten Minderheitengemeinden verfolgten unterschiedliche praktische Wege, setzten aber gemeinsame Ziele. Im Mittelpunkt des zweiten Schwerpunkts steht die Frage nach der Besonderheit reformierter Lese- und Wissenschaftskultur. Die franzosische Lesekultur-Forschung wird fur die Interpretation reformierter Literalitat genutzt und das Verhaltnis von literaler und oraler Kommunikation neu bedacht. Die alte These von der Offenheit reformierter Glaubenslehren fur die moderne Wissenschaft wird kritisch bewertet und die Bedeutung wissenschaftsbezogener privater Ausbildung im familiaren Haushalt vermessen. Die Beitrage geben einen Einblick in methodische Neuansatze zur Erforschung der Kulturbedeutung der europaischen Reformierten, weisen aber auch auf spezifische historische Problemlagen hin, mit denen sich diese langfristig konfrontiert sahen.