Die vorliegende Studie ist einer Gestalt des kollektiven Gedachtnisses des christlichen Abendlandes gewidmet, die seit dem Mittelalter das Schaffen von Kunstlern inspiriert hat: Salome, deren Tanz beim Gastmahl des Herodes den Tod Johannes des Taufers bewirkt haben soll. Seit mehr als 2.000 Jahren wird diese Gestalt in der Bildenden Kunst als Projektionsflache fur gesellschaftliche Probleme und als Spiegel des Frauenbildes genutzt. Im Mittelalter wurde Salome als provokante Tanzerin abgebildet, dann ab dem 14. Jh. vor allem als Empfangerin und Tragerin des abgeschlagenen Hauptes dargestellt und im 19. Jh. entwickelte sie sich als 'Femme Fatale' zur Verkorperung sozialer und sexueller Spannungen im Geschlechterkampf. Auch im 20. Jh. blieb ihre Gestalt aktuell. Die Frauenbewegung entdeckte sie als eine Frau, die sich gegen die mannerdominierte Welt auflehnt, und konstruierte sie als befreite Frau. Bis in die Gegenwart hinein hat das kollektive Erinnerungspotenzial der Salome nicht an Kraft verloren und steht ihr Name fur weibliche Verfuhrungskunst und Willensstarke.