Doch alles ist ganz anders nun geworden". Dieses Zitat aus Gunderrodes romantischem Gedicht Vorzeit, und neue Zeit" spiegelt die Veranderungen der und um die Zeit wider. Im Gedicht erlebt das lyrische Ich ein Nun", die Gegenwart, die sich von der Vergangenheit abgespalten hat und eine Zukunft ermoglicht, die die Gegenwart noch nicht zulasst. Die Zeit verandert sich. Doch was ist das - Zeit? Und wie wird Zeit und Zeitlichkeit in der Lyrik um 1800 wahrgenommen? Das sind Fragestellungen, die in den Gedichten offensichtlich selbst thematisiert und reflektiert werden. Und weiterhin: Was ist denn im Nun" anders geworden? Was ist es, das sich verandert hat? Dieses Etwas ist nicht sichtbar. Es ist verborgen. Die prasentische Zeit, die hier angesprochen wird, ist die Latenz". Im aktuellen literaturwissenschaftlichen Diskurs nimmt die Latenz einen besonderen Stellenwert ein. Bislang wurde untersucht, wie Latenz" in der Gegenwartsliteratur dargestellt wird. Sie ist jedoch kein Begriff der Gegenwartsliteratur, sondern findet sich in dem oben veranschaulichten Sinne bereits in der Romantik, genauer in der Zeit um 1800. In der aktuellen Forschung wurde noch nicht geklart, wie Latenz" in der Romantik dargestellt wird. Diese Forschungslucke soll anhand der Lyrik von Clemens Brentano, Bettine von Arnim und Karoline von Gunderrode in diesem Buch geschlossen werden.