In den ersten Wolfenbutteler Jahren veroffentlichte Lessing eine Reihe von religionsphilosophischen Schriften, die sich gegen die Aufklarungstheologie richteten. Um Sozinianer, Neologen und Deisten zu attackieren, nahm der Aufklarer fur die dogmatische Theologie Partei. Diese Positionierung Lessings bleibt bis heute eine der umstrittensten Fragen der Forschung: Warum war der bekannte Freidenker ein erbitterter Feind des vernunftigen Christentums? Lessings Stellungnahme fur die Rechtglaubigkeit ist als Unentschlossenheit, Taktik und Heuchelei verstanden worden. Durch die Rekonstruktion der aristotelischen Tradition der doppelten Lehrart der Philosophen zeigt die Studie, dass sich Lessing selbst in seinen theologischen Schriften einer exoterischen und einer esoterischen Schreibart bediente, so dass der Schlussel zum Verstandnis der Orthodoxie Lessings in den Leibniz-Rettungen aufzufinden ist. Lessings Verteidigung der Orthodoxie erweist sich daher als blo exoterisch. Der Aufklarer hat das dogmatische Luthertum verteidigt, weil die Rationalisierung des Christentums die Autonomie der Philosophie von der Theologie beeintrachtigt. Nur eine strikte Trennung von Glauben und Vernunft kann namlich die libertatem philosophandi garantieren.